Nachlese PM Camp Dornbirn

Was ich über das Unterscheiden und das Trennen gelernt habe… und noch mehr…

(picture credits: Joachim Schlosser, license: CC BY-SA)

Am Fr/Sa 18./19.11.2016 war ich Teilgeberin beim PM Camp Dornbirn. Dornbirn ist quasi die “Mutter” der PM Camp Bewegung, die mittlerweile in vielen Städten europaweit Unkonferenzen zum weiten Themenkomplex Projektmanagement auf die Beine stellt.

In dieser Nachlese teile ich vor allem meine Gedanken und Erfahrungen zum Leitthema Unterscheide ohne zu Trennen. Im Rahmen der Blogparade hatte ich bereits Gelegenheit, mich mit dem Leitthema vorab zu befassen. Durch den Impulsvortrag von Gerhard Wohland am ersten PM Camp Tag und einer Barcamp-Session von ihm am darauffolgenden Tag hatte ich die Gelegenheit mich – auch persönlich – sehr intensiv mit unterscheiden ohne zu trennen auseinander zu setzen.

Sachliche Nachlese Teil 1: Der Impulsvortrag

Unterscheiden, um miteinander zu harmonieren

Unser Gehirn verarbeitet sprachliche Negationen (z.B. auch das ‘ohne’ im Leitthema) mit deutlich mehr Aufwand, als bei positiv formulierter Sprache. Das fiel mir schon beim Nachdenken für meinen Blogparade-Beitrag auf… und so war ich gespannt, ob und wann ich eine Lösung für diese Spannung auf dem PM Camp finden würde.

Glücklicherweise recht zu Beginn des Impulsvortrages löste sich diese Diskrepanz (zumindest sprachlich) für mich auf. Wozu unterscheide ich denn? Nun, nicht um nicht zu trennen. Sondern: wir Menschen unterscheiden, um miteinander zu harmonieren.

Lassen wir uns das nochmal auf der Zunge zergehen:

Unterscheiden, um miteinander zu harmonieren.

Oder auch:

Unterscheiden, um zusammen funktionieren zu können.

Das Unterscheiden hilft uns dabei, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Es hilft dabei, den Sinn & Zweck zu erkennen, wissen wozu man etwas macht. Für mich hat das auch etwas von Zurechtfinden in einer immer komplexeren Lebenswelt zu tun. Ohne die Fähigkeit scharf zu beobachten und Dinge, Themen, Sachverhalte unterscheiden zu können – ohne das bliebe vieles ein Einheitsbrei. Pappig, sperrig und unverdaulich.

Unterscheiden um (richtig) zu handeln

Unterscheiden ist auch wichtig, um eine passende Handlung in einer gegebenen Situation auswählen zu können. Zentraler Gegenstand des Impulsvortrages war die (möglicherweise bereits von verschiedenen Autoren bekannte) Unterscheidung in rote und blaue Bestandteile eines Systems, einer Organisation. Beispielsweise: Projekte (rot, lebendig) und Prozesse (blau, tot). Gerhard Wohland benutzte hierbei eine sehr schöne Metapher um zu veranschaulichen, was passiert, wenn man an Stellschrauben dreht und die Zusammenhänge und Einordnung der Bestandteile nicht genügend verstanden hat: Sand (rot) im Getriebe (blau) legt normalerweise das Getriebe lahm. Baut man das Getriebe größer, kann man eine gleichbleibende Menge Sand tolerieren. Wird die Sandmenge größer, müsste man konsequenterweise ein noch größeres Getriebe bauen um die neue Menge Sand wieder schadenfrei tolerieren zu können. Sprich: man hat ein Symptom behoben, aber nicht genügend gut die Bestandteile des Systems unterschieden um eine nachhaltige und skalierbare Lösung zu finden.

Das ein oder andere reale Beispiel aus dem Organisationsalltag hat vermutlich so mancher Zuhörer dieses spannenden Impulsvortrages im Kopf gehabt.

Einschub: Meine ganz persönliche Nachlese

Sowohl am Freitag als auch am Samstag nahm Gerhard Wohland an den Sessions des PM Camps teil bzw. am Samstag gab er auch eine eigene Session zum Thema Qualität (Anmerkung: Qualität von Begriffen, im Denken, etc).

Fast getrennt…

In einer Freitagssession u.a. zum Thema Werte, war ich teils sehr zwiegespalten, was ich von der Diskussionskultur halten sollte. Klar ist Gerhard ein Experte auf seinem Gebiet, doch zum Teil stieß mir mein erster Eindruck seines Umganges mit den Gedanken anderer Diskussionsteilnehmer sauer auf. Ausreden lassen und ‘nicht ins Wort fallen’ sind für mich einfach essentielle Verhaltensweisen.
Kurzum: ich war kurz davor, anhand dieser Beobachtungen und Bewertungen von meiner Seite eine gedankliche Schublade zu öffnen, alles in dieser Session Erlebte reinzulegen und fortan Sessions ohne Gerhard zu besuchen. Das wäre dann wohl “trennen” gewesen.

Doch das war zu einfach! Ich war hier nicht nur zum zu Netzwerken, nicht nur um fachlichen Input zu bekommen, sondern auch und vor allem um mich & meine Persönlichkeit herauszufordern.

… um dann doch eingehend zu unterscheiden.

Und so stand Samstag morgen direkt nach der Sessionplanung für mich fest: ich gehe in besagte Qualitäts-Session von Gerhard Wohland. Der fachliche Input war wieder unheimlich dicht – denken & mitschreiben ging geraaaade so. Es war wie eine wirklich gute Vorlesung an der Uni – so Mariannes Einschätzung – und da konnte ich ihr nur beipflichten. Einfach Hirnfutter!
Natürlich habe ich nicht sofort jedes Detail bis ins Letzte durchdrungen. Und natürlich bin ich auch nicht mit jedem Detail des Vortrags- und Diskussionsstils von Gerhard innerlich ‘konform’ gewesen. Doch ich lernte seine Art uns Session-Teilgeber an seinen Gedankengängen teilhaben zu lassen sehr zu schätzen.

Und so beschloss ich für mich, dass ich gedanklich mitnehmen darf, was mir nützt – und dass ich (erstmal) liegenlassen darf, was mir gerade nicht nützt oder aktuell nicht zu mir passt. Klarheit. Unterscheiden ohne zu trennen.

Sachliche Nachlese Teil 2: Die Qualitäts-Session

Um den Rahmen dieses Blogartikels nun nicht noch vollends zu sprengen, teile ich hier nur mein wichtiges ‘Take away’ dieser Session mit Euch:

Man kann nicht präziser Denken als die Begriffe, die man verwendet, definiert sind.

Aus meiner (Berufs)erfahrung: ja, es mag manchmal anstrengend sein, sich zunächst über die Begrifflichkeiten oder sonstige Basics zu verständigen. Und für manche(n) mag es sogar nach “vertaner Zeit” aussehen. Doch das Ergebnis ist gemeinsames, geteiltes Verständnis der Beteiligten über die Domäne. Schwer zu messen aber überaus wertvoll. Schon auf dem Herbstcampus 2016 in Nürnberg hörte ich im Vortrag von Carola Lilienthal und Henning Schwentner: nicht das Glossar ist das Ergebnis, sondern das durchs Glossar-Erstellen erarbeitete gemeinsame Verständnis.

TL;DR

In diesem Sinne – nicht dieser lange Blogeintrag ist das Ergebnis. Sondern das Gedanken-Sortieren dabei.
Wie immer freue ich mich dennoch (oder gerade deshalb) über Deine Meinung, Kommentare, Ergänzungen – per Mail, Kommentarfunktion oder Twitter.


(M)eine ganz subjektive Nachlese-Link-Auswahl