Gedanken zum Umgang mit Tod & Trauer (in Teams) mit Elementen aus der Positiven Psychologie
(Zeichung von Reinald Kirchner; Foto von Cosima Laube)
Der Start auf der Play4Agile
Ich bin immer wieder sehr positiv überrascht, wieviel Offenheit und Vertrauen in vermeintlich kurzer Zeit entstehen kann, wenn der passende Rahmen besteht und Menschen mit kompatiblen Wertesystemen aufeinandertreffen und ihre Zeit miteinander verbringen. So gab es auf der Play4Agile 2017 (#p4a17) im Open Space u.a. ein Session-Angebot mit dem Titel Final Disruption – vom Umgang mit Tod und Trauer in Teams.
Aus diesem Thema heraus hat sich für mich auf der #p4a17 ein sehr tiefschürfendes Gespräch zum Thema Tod & Trauer ergeben. Auch weil es mich persönlich berührte. Recht schnell war ich in der Unterhaltung aus dem beruflichen Team-Kontext raus. Rückblickend sind für mich da die Grenzen fließend bzw. verschwimmen. Und das ist auch gut so, denn:
wie soll ich jemand anderen, wie bspw. mein Team oder einen einzelnen Coachee gut begleiten oder beraten können, wenn ich nicht selbst mit meinen eigenen Themen ein Stück weit sortiert bin?
The space mentally continues…
Drei Tage nach der #p4a17, kam “mein” Thema wieder zum Vorschein. Ein sehr enger Freund von mir, Andy, nahm sich vor etwas mehr als vier Jahren das Leben.
Ja, ich weiss, wohin man sich professionell wenden kann, von Trauerberatungsstellen, Trauerbegleitung, PeerGroups zur gemeinsamen Verarbeitung. Alles durch. Verschiedene Selbstcoaching-Techniken. Auch durch. Ich kann sagen, ich komme mittlerweile gut mit Andys Entscheidung klar. Oft empfinde ich sogar tiefen Respekt für seine Entscheidung, für sein Leben, dafür dass er so handelte, wie er es für sich für richtig hielt. Ich bin ihm dankbar, für alle gemeinsamen Momente, die ich mit ihm erleben durfte. Immer mal wieder finde ich Dinge oder Gedanken, die mich daran erinnern, was er bleibendes (für mich) in dieser Welt hinterlassen hat.
Seine Entscheidung selbstbestimmt diese Erde zu verlassen hat auch meine eigene Weltsicht, mein Denken und Handeln für mein eigenes Leben sehr beeinflusst. Manche Themen, die vorher wichtig waren, waren es danach nicht mehr und werden es für mich auch nicht mehr sein. Es ist vielleicht ein bisschen wie Goldsand sieben: die essentielle(re)n Dinge sind für mich geblieben, so manche Beziehung hat sich neu sortiert.
Eigentlich alles “gut”. Wäre da nicht manchmal noch noch ein Gefühl der Trauer. Im heutigen Moment, so nach den Impulsen der #p4a17 kam mir die Frage: Gibt es weitere Werkzeuge, die in so einer Situation hilfreich sein können?
Tränen in Rauch umwandeln: Brainstorming per Chat
Da ich mich gerade vermehrt mit Themen und Werkzeugen aus der Positiven Psychologie beschäftige, dachte ich an diesen Bereich. Nicht zu schauen, wie ich etwas (Trauer) weg bekommen kann, sondern wie mein aktuelles Leben besser werden kann. Weniger weg von, mehr hin zu. – Leichter gesagt als getan.
Ich kenne das Thema Tod & Trauer nicht nur privat – auch in meiner bisherigen beruflichen Laufbahn ist mir schon zweimal das Thema (Frei)tod begegnet. So nutzte ich die Gelegenheit für einen bereits länger angedachten Austausch zur Positiven Psychologie (PP) mit Daniel Hommel. Wir begannen darüber zu chatten und ich fragte Daniel, welche Werkzeuge aus der PP ihm im Umfang mit Tod & Trauer in den Sinn kämen.
Das Chat-Setting hatte einen echten Vorteil für das, was wir im Verlauf des Gesprächs gemeinsam austauschten und entwickelten. Ich hatte “die volle Packung” Emotionen gerade quasi vor mir auf meinem mentalen Tisch liegen. Zum Thema Positive Psychologie wollten wir uns schon länger austauschen. Das Schreiben im Chat ließ Zeit und Raum zum Denken und zum gemeinsam neue Ideen entwickeln, was man in diesem sensiblen Bereich noch tun kan. Wir brachten unsere Hirne förmlich zum Rauchen. Aus meiner Sicht entstand dadurch ein großartiges Resultat aus den beiden Sichtweisen involviert und von aussen drauf schauend.
Was Du selbst tun kannst
Da das Thema Tod und Trauer oft noch immer für viele Menschen ein starkes Tabu-Thema darstellt, da wir meiner Erfahrung nach (vor allem im geschäftlichen Kontext) noch viel zu selten darüber sprechen, habe ich nachfolgend einige Punkte festgehalten. Als strukturierte Ergänzung zu meiner persönlichen Geschichte in diesem Artikel. Als möglicher Startpunkt, wenn Du neu mit dem Thema Tod & Trauer im beruflichen Kontext konfrontiert wirst. Vielleicht ist etwas davon für Dich nützlich? Vielleicht willst Du sogar noch etwas hinzufügen oder mit anderen teilen? Möglicherweise magst Du Dich sogar austauschen? Ich freue mich über jede Rückmeldung, sei es privat per E-mail, auf Twitter oder natürlich als Kommentar hier im Blog.
Der Trauer einen passenden Platz einräumen (Akzeptanz)
Ist Deine Trauer recht frisch oder kommen auch nach längerer Zeit starke Emotionen zum Vorschein, kann es hilfreich sein, eine gewisse Routine des Um-sich-selbst-Kümmerns zu entwickeln. Das können sehr unterschiedliche Dinge sein: wichtig ist, dass Du Dir etwas Gutes tust und eine Umgebung schaffst, in der Du der Trauer emotionalen & mentalen Raum geben kannst.
Ziel ist es mit der Zeit eine gewisse Akzeptanz zu entwickeln:
- dass die Trauer Raum beansprucht… möglicherweise sogar immer und immer wieder. Geduld sowie Akzeptanz können hier echt schwer fallen – und das ist “normal”, es ist in Ordnung.
- dass die Situation so ist, wie sie ist… sie kann nicht mehr geändert werden… sie ist jedoch auch nicht komplett Teil Deines Lebens. Hier die Balance zu finden, kann Zeit brauchen – und das ist in Ordnung so.
Trauer ‘umkehren’ & Dankbarkeit entwickeln
Wenn Du eine gewisse Stabilität fühlst, kannst Du Dich daran machen, die Trauer gewissermaßen ‘umzukehren’. Statt zurück zu sehen auf die Zeit, die war und im Fokus zu haben, dass der Mensch nie wieder zurück kommt, ist energieraubend und blockiert Dich beim Nach-Vorne-Schauen. Dem Menschen, welcher gestorben ist, nützt es wenig, wenn lange und ausgiebig um ihm getrauert wird. Viel wertvoller ist es, wenn Du positive Gedanken und Emotionen mit dem vorausgegangenen Menschen verbinden kannst. Trauer darf da sein und Du darfst nach vorne sehen (& gehen).
Dabei kann es hilfreich sein, Dich mit dem Thema Dankbarkeit zu befassen:
- schreibe auf, male, gestalte wofür Du dem Gestorbenen dankbar bist
- was hast Du von diesem Menschen gelernt?
- wie hat dieser Mensch Dein Leben bereichert oder verschönert?
Möglicherweise ist diese Herangehensweise ungewohnt für Dich, vielleicht wirst Du auch mit gewissen gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert, dass Du “zu trauern habest”. Meist ist das Ausdruck eigener Unsicherheit oder wenig reflektiertes Verhalten. Versuche, bei Dir zu bleiben: es geht rein um Dich und Deine Beziehung zum Verstorbenen. Dankbarkeit zu entwickeln und nach vorne zu schauen kann eine positive Art sein, Deine Trauer auszudrücken und dem vorangegangenen Menschen ein wertvolles und nährendes Andenken zu behalten.
Auch Methoden aus der Achtsamkeit (Mindfulness) können Dich dabei unterstützen, die Trauer als weniger kraftraubend zu betrachten. So kannst Du z.B. versuchen, Dir Deine Trauer wie einen Gegenstand vorzustellen, der sich vor Dir befinden z.B. auf einem Tisch oder auf dem Boden liegend:
- Wie sieht der Gegenstand aus?
- Kannst Du seine Oberfläche beschreiben?
- Aus welchem Material ist der Gegenstand gemacht?
- Welche Eigenschaften gibt es noch?
Die Idee dahinter ist, dass Du Deine Trauer zwar wahrnimmst, dass sie da sein darf und einen angemessenen Raum bekommt – doch sie ist kein Teil von Dir.
Eigenen Handlungspotentiale erkennen & nutzen
Mit dem (plötzlichen) Tod eines Menschen aus dem eigenen Umfeld werden wir uns auch oft recht unerwartet unserer eigenen Vergänglichkeit bewusst. Wenn Du Dir diese Energie wieder positiv-vorausschauend zunutze machst, kannst Du Dir überlegen:
- Was Dir wirklich wichtig ist…
- Was Du “schon immer mal” machen wolltest, Dir aber bisher nie die Zeit dafür genommen hast. Möglicherweise ist jetzt ein guter Zeitpunkt, Deine Prioritäten neu zu ordnen.
- Wo Du vielleicht eher das Leben “der anderen” lebst. Der Tod eines wertgeschätzten Menschen kann Dir auch den nötigen Anstoss geben, ab jetzt mehr der Mensch zu sein, der DU wirklich bist. Ganz gleich was andere oder “die Gesellschaft” von Dir erwarten mögen. (Oder was Du denkst, was andere von Dir erwarten.)
- Was möchtest Du hinterlassen für andere Menschen? Welchen ersten Schritt musst Du dazu gehen?
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Might be continued… and might be translated to spread the thoughts… .